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Epilepsie beim Hund: Wenn die Neuronen verrücktspielen

Wussten Sie, dass Epilepsie beim Hund gar nicht so selten vorkommt? Schätzungen zufolge hat ca. einer von 150 Hunden Epilepsie. In vielen Fällen ist die Ursache der Krankheit gar nicht bekannt. Man weiß aber, dass vererbbare Faktoren eine Rolle spielen können. So sind bestimmte Rassen häufiger betroffen, etwa Australian Shepherd, Beagle und Border Collie.2 Für den Hund wie auch für die Halterinnen und Halter ist ein epileptischer Anfall ein erschreckendes Erlebnis. Herrchen und Frauchen sollten im Ernstfall wissen, wie sie mit dem Tier umzugehen haben. Informieren Sie sich daher gut über die Erkrankung. Ein Hund mit Epilepsie braucht viel Aufmerksamkeit und Fürsorge.

Epilepsie beim Hund: häufiger als andere Rassen betroffen ist der Border Collie
Epilepsie beim Hund: häufiger als andere Rassen betroffen ist der Border Collie

Epilepsie ist nicht gleich Epilepsie

Epilepsie beim Hund ist ein komplexes Thema – es gibt verschiedene Krankheitsausprägungen und Formen von Anfällen. Die Klassifizierungen, Definitionen und Fachbegriffe orientieren sich zum Teil an der Humanmedizin und werden innerhalb der Tiermedizin auch nicht immer einheitlich verwendet. Die International Veterinary Epilepsy Task Force (IVETF), eine Gruppe aus wissenschaftlichen Expertinnen und Experten, möchte dieses Problem beheben und bemüht sich daher um einheitliche medizinische Klassifizierungen und Definitionen.

Was ist eigentlich Epilepsie? Und was ist ein epileptischer Anfall?

Epilepsie ist eine Erkrankung des Gehirns – kennzeichnend ist die dauerhafte Veranlagung zu epileptischen Anfällen. Unter bestimmten Bedingungen kann eigentlich jeder Hund einen epileptischen Anfall bekommen. Von ‚Epilepsie‘ spricht man deshalb erst, wenn die Anfälle über einen längeren Zeitraum immer wieder auftreten.2

Zu einem epileptischen Anfall kann es kommen, wenn sich Gruppen von Nervenzellen im Gehirn übermäßig und/oder abnormal entladen. Die Folge können vorübergehende Symptome wie Krämpfe und Zuckungen sowie auch andere Verhaltensauffälligkeiten sein. Je nach der Ursache oder den Symptomen lassen sich verschiedene Arten der Epilepsie beim Hund unterscheiden.2

Idiopathische Epilepsie vs. strukturelle Epilepsie beim Hund

Wenn ein starker genetischer Einfluss bekannt ist oder vermutet wird, oder wenn die Ursache der epileptischen Anfälle z. B. trotz aufwendiger Untersuchungen gar nicht bekannt ist, so spricht man von einer ‚idiopathischen Epilepsie‘. Andere und zum Teil veraltete Bezeichnungen sind ‚primäre Epilepsie‘, ‚genuine Epilepsie‘ oder auch ‚genetische Epilepsie‘ beim Hund.2

Verursachen dagegen nachweisbare Veränderungen im Gehirn die epileptischen Anfälle, so liegt eine ‚strukturelle Epilepsie‘ vor. Teilweise ist auch von der ‚sekundären Epilepsie‘, ‚symptomatischen Epilepsie‘ oder ‚erworbenen Epilepsie‘ beim Hund die Rede. Die Ursache können z. B. Traumata, Stoffwechselstörungen oder sogar Infektionskrankheiten wie Staupe sein. Bei allen Formen der Epilepsie können unterschiedliche Arten von Anfällen auftreten.2

Fokale Anfälle vs. generalisierte Anfälle

Bei den sogenannten fokalen Anfällen ist die Entladung der Nervenzellen auf einen bestimmten Bereich des Gehirns beschränkt. Solche Anfälle können auch leicht übersehen werden: Der Hund zuckt währenddessen z. B. nur mit einem Bein oder dem Maul oder er schüttelt den Kopf. Unter Umständen schnappt das Tier aber auch nach imaginären Fliegen oder rennt wild im Kreis.2

Bei generalisierten Anfällen sind dagegen beide Gehirnhälften und somit auch beide Körperhälften des Hundes betroffen. Ein solcher Anfall kann auch aus einem fokalen Anfall entstehen. Meist verliert der Hund dabei das Bewusstsein, bricht zusammen und hat Krämpfe. Nach wenigen Sekunden bis Minuten ist der Spuk vorbei und das Tier kommt wieder zu sich.2

Phasen eines generalisierten tonisch-klonischen Anfalls

Eine der häufigsten Formen des generalisierten Anfalls beim Hund ist der sogenannte tonisch-klonische Anfall. ‚Tonisch‘ beschreibt eine anhaltende Anspannung der Muskulatur, ‚klonisch‘ beschreibt ruckartige Muskelzuckungen. Gemeint ist ein Anfall mit abwechselnden krampfartigen Versteifungen und Zuckungen. Diese Art von Anfall lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen:2

 

  • Die Prodromaplhase beginnt einige Stunden oder sogar Tage vor dem eigentlichen Anfall. Das Tier ist unruhig und zeigt Verhaltensänderungen. Manche Hunde suchen z. B. vermehrt nach Aufmerksamkeit, andere ziehen sich zurück. Die Prodromalphase tritt allerdings nicht immer auf. Gegebenenfalls können Halterinnen und Halter die Verhaltensänderungen aber schon frühzeitig erkennen und therapeutische Maßnahmen einleiten.2

 

  • Der Iktus ist der eigentliche epileptische Anfall. Er beginnt damit, dass das Tier umfällt und die Muskulatur sich versteift. Meist bewusstlos macht der Hund dann krampfartige und zuckende Bewegungen mit den Beinen und/oder dem Kiefer. Typisch sind außerdem ein starker Speichelfluss und das unkontrollierte Absetzen von Kot und Urin.1, 2

 

  • In der anschließenden postiktalen Phase ist der Hund wieder bei Bewusstsein und die normale Hirnfunktion wird wieder hergestellt. Diese Phase kann einige Minuten oder auch mehrere Tage dauern. Hunde können dabei z. B. desorientiert und erschöpft sein, Bewegungsstörungen haben sowie übermäßig hungrig oder sogar zeitweise blind sein.1

Einfluss der Gene – Beispiele für Hunderassen mit einem erhöhten Risiko für Epilepsie:1

  • Australian Shepherd
  • Beagle
  • Belgischer Schäferhund
  • Berner Sennenhund
  • Border Collie
  • Dackel
  • Finnischer Spitz
  • Golden Retriever
  • Irischer Wolfshund
  • Labrador Retriever
  • Pudel
  • Spinone Italiano

Diagnose: Epilepsie beim Hund

Wenn Sie Ihren Hund nach einem Anfall in die Tierarztpraxis bringen, werden Sie zunächst eine Menge Fragen beantworten müssen: Wie hat sich das Tier vor dem Anfall verhalten? War der Hund während des Anfalls bei Bewusstsein? Wie lange hat der Anfall gedauert? Könnte eine Vergiftung vorliegen? Diese und noch viele andere Informationen geben der Tierärztin oder dem Tierarzt Aufschluss über die Ursache und die Art des Anfalls, über ein eventuell vorhandenes Muster oder auch den Zusammenhang zu Aktivitäten des Hundes.

In der Praxis werden dann verschiedene Tests durchgeführt: Mit Blut- und Urinproben werden beispielsweise bestimmte Organfunktionen überprüft. CT- oder MRT-Aufnahmen können mögliche Anomalien im Gehirn aufzeigen. Gegebenenfalls werden dadurch andere Erkrankungen des Gehirns ausgeschlossen oder zugrundeliegende Ursachen für eine strukturelle Epilepsie gefunden. Unter Umständen wird aber auch im Ausschlussverfahren eine idiopathische Epilepsie diagnostiziert.3, 5

Epilepsie - Was tun?

Was können Sie während eines epileptischen Anfalls beim Hund tun?

Während eines epileptischen Anfalls können Sie dem Hund nur begrenzt helfen. Bleiben Sie möglichst ruhig und sorgen Sie dafür, dass der Hund sich nicht verletzt – etwa durch Gegenstände in seiner Umgebung. Fassen Sie das Tier aber nicht an! Heftige Kieferbewegungen oder unkontrollierte Zuckungen des Hundes können Sie leicht verletzen.1

Ganz wichtig ist es, den Anfall zu dokumentieren: Machen Sie Videoaufzeichnungen und notieren Sie die Zeit und Geschehnisse vor dem Anfall sowie das Verhalten des Hundes nach dem Anfall. Nehmen Sie diese Informationen unbedingt mit in die Tierarztpraxis.1

Wie werden die Symptome der Epilepsie beim Hund behandelt?

Im Falle einer strukturellen Epilepsie mit bekannter Ursache kann prinzipiell eine Heilung erreicht werden – je nachdem, welche Erkrankung oder welche Umstände die Epilepsie beim Hund hierbei auslösen. Bei einer idiopathischen Epilepsie ist das leider anders: Die Erkrankung kann nicht geheilt werden. Ob aber eine Behandlung notwendig ist, hängt von der Häufigkeit und der Schwere der Anfälle ab: Wenn der Hund mehr als einmal im Monat krampft und/oder starke Anfälle hat, sollte eine Therapie begonnen werden. Insbesondere, da die Anfälle ohne Behandlung möglicherweise auch in immer kürzeren Abständen auftreten und mit der Zeit weniger kontrollierbar werden.1, 2

Die Anzahl und die Schwere der Anfälle lässt sich durch antiepileptische Medikamente verringern. Solche Medikamente müssen oft täglich und für das restliche Leben des Hundes gegeben werden. Das Ziel ist, einen konstanten Wirkstoffspiegel beim Hund zu erreichen – mit modernen Präparaten ist das schon nach zwei bis drei Tagen möglich. Trotzdem kann es einige Wochen dauern, bis die Anfälle unter Kontrolle sind. Nach einigen anfallsfreien Monaten kann eventuell die Dosis reduziert werden. Auf keinen Fall sollte ein Medikament aber abrupt abgesetzt werden! Dies kann einen lebensbedrohlichen Notfall verursachen: den sogenannten Status epilepticus.2 Weitere Informationen dazu erhalten Sie in den FAQ.

FAQ Epilepsie beim Hund

Durch starke Reize wie Traumata, Stoffwechselstörungen oder Gifte, aber auch durch Infektionskrankheiten kann es im Gehirn zur übermäßigen und/oder abnormalen Entladung von Nervenzellen kommen – die Folge kann ein epileptischer Anfall sein.2

Hunde, die vermehrt epileptische Anfälle haben, sollten dringend behandelt werden. Ohne Therapie können die Anfälle sonst immer häufiger werden und das Risiko für einen Status epilepticus steigt. Dieser Zustand kann für das Tier tödlich enden.1

Der Status epilepticus ist ein lebensbedrohlicher epileptischer Anfall mit anhaltenden Krämpfen. Dieser Zustand kann bis zu einer halben Stunde andauern. Der Hund benötigt dann eine sofortige medizinische Notfallbehandlung und muss in eine Klinik.1, 2

Mit der richtigen Therapie, viel Fürsorge und Geduld sowie einer engen Zusammenarbeit mit Ihrer Tierarztpraxis ist die Epilepsie beim Hund gut in den Griff zu bekommen. Viele Hunde können dann gut und auch lange trotz der Diagnose ‚Epilepsie‘ leben.1

Benötigt ein Hund mit Epilepsie eine spezielle Ernährung? Bei Kindern spielt die sogenannte ketogene Diät eine Rolle – eine Ernährungsweise mit viel Fett und wenig Protein. Dabei entstehen Ketone, welche die Häufigkeit von Anfällen zu reduzieren scheinen. Der Stoffwechsel eines Hundes funktioniert jedoch nicht wie der menschliche.2 Studiendaten zeigen aber, dass bestimmte Fettsäuren antiepileptische Eigenschaften bei Hunden haben. Sogenanntes MCT-Öl enthält mittelkettige Triglyceride (englisch medium-chain triglycerides, MCT) und kann als Behandlungsoption für Hunde mit idiopathischer Epilepsie dienen.